Der unterbrochene Aortenbogen (Interrupted Aortic Arch, IAA) ist eine seltene und kritische angeborene Herzfehlbildung, die durch eine vollständige Unterbrechung der Kontinuität zwischen dem Aortenbogen und der absteigenden Aorta gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zur Aortenisthmusstenose, bei der das Aortenlumen verengt ist, besteht bei der IAA keine anatomische Verbindung zwischen den beiden Segmenten der Aorta, wodurch der Ductus arteriosus für das postnatale Überleben unerlässlich ist. Sie macht weniger als 1 % aller angeborenen Herzfehler aus, mit einer geschätzten Inzidenz von 2–3 Fällen pro 100.000 Lebendgeburten.
Diese Anomalie verursacht eine vollständige hämodynamische Unterbrechung des systemischen Blutflusses zur unteren Körperhälfte, die vorübergehend durch die Offenheit des Ductus arteriosus kompensiert werden kann. Beim Verschluss des Ductus tritt ein akuter Kreislaufkollaps auf. Die IAA ist häufig mit anderen Herzfehlbildungen assoziiert, insbesondere mit einem Ventrikelseptumdefekt (VSD) und Transpositionen der großen Arterien, sowie mit genetischen Syndromen wie der 22q11.2 Mikrodeletion.
Die Unterbrechung des Aortenbogens entsteht durch einen Fehler in der embryologischen Entwicklung des vierten linken Kiemenbogens und des proximalen Abschnitts der absteigenden Aorta. Dieser Vorgang findet zwischen der fünften und siebten Schwangerschaftswoche statt und führt zu einer fehlenden Verschmelzung der Aortensegmente, die normalerweise den aufsteigenden Aortenbogen mit dem thorakalen absteigenden Abschnitt verbinden. Infolgedessen entsteht eine vollständige Trennung der beiden Abschnitte, die an drei typischen Stellen auftreten kann – Grundlage der klassischen morphologischen Klassifikation nach Celoria und Patton (Typ A, B und C).
Klassifikation
Diese Klassifikation hat sowohl hämodynamische als auch chirurgische Bedeutung.
Die Pathogenese der IAA beinhaltet eine absolute funktionelle Abhängigkeit vom Ductus arteriosus, der die Versorgung der unteren Körperabschnitte mit sauerstoffreichem Blut sicherstellt. Da keine direkte Verbindung zwischen Aortenbogen und absteigender Aorta besteht, ist der systemische Blutfluss nach der Geburt völlig unzureichend, sobald sich der Ductus physiologisch schließt. Aus diesem Grund ist das neonatale Überleben eng an eine frühzeitige Diagnose und die Infusion von Prostaglandin E1 zur Offenhaltung des Ductus gebunden.
Zahlreiche IAA-Fälle sind mit einem Ventrikelseptumdefekt assoziiert, der einen Rechts-links-Shunt ermöglicht und die Blutmischung auf Herzebene begünstigt. Diese Bedingung kompensiert jedoch nicht die fehlende distale Perfusion und führt rasch zu systemischer Hypoxämie und metabolischer Azidose. In komplexen Fällen kann auch eine Transposition der großen Arterien oder ein Truncus arteriosus vorliegen.
Neben den eindeutig embryologischen Ursachen wurden Risikofaktoren genetischer und umweltbedingter Natur identifiziert, die die Wahrscheinlichkeit einer IAA erhöhen. Zu den wichtigsten gehören:
Pathophysiologisch führt die IAA zu einer kompletten Blockade der direkten systemischen Perfusion. Die absteigende Aorta wird bei diesen Patienten retrograd über den Ductus arteriosus perfundiert. Dessen Verschluss bewirkt eine drastische Reduktion des Blutflusses zu den abdominalen Organen und unteren Extremitäten, mit hämodynamischem Kollaps, Laktatazidose, Anurie und Zeichen eines Multiorganversagens bereits in den ersten Lebensstunden.
Der Blutdruck ist in den oberen Extremitäten erhöht und in den unteren stark vermindert, während die Sauerstoffsättigung paradoxerweise am Fuß höher als an der rechten Hand sein kann – in seltenen Fällen mit umgekehrtem Shunt bei erhöhtem pulmonalem Widerstand. Bei Neugeborenen mit begleitendem VSD kann die partielle Blutmischung den klinischen Verlauf leicht verzögern, beeinflusst jedoch ohne sofortige Behandlung nicht die Prognose.
Das klinische Bild des unterbrochenen Aortenbogens tritt frühzeitig auf, in der Regel innerhalb der ersten 48–72 Lebensstunden, wenn sich der Ductus arteriosus physiologisch schließt. Bis zu diesem Zeitpunkt kann die systemische Zirkulation vorübergehend durch die Offenheit des Ductus aufrechterhalten werden. Nach dessen Verschluss führt das Fehlen der Perfusion der absteigenden Aorta rasch zu einem hypoperfusen Schockzustand.
Bei Neugeborenen ist die Präsentation typischerweise akut und dramatisch, mit Zeichen einer zunehmenden systemischen Beeinträchtigung.
Die häufigsten Symptome sind:
Eines der auffälligsten klinischen Zeichen ist die Diskrepanz zwischen den peripheren Pulsen: die Brachialispulse sind tastbar, während die Femoralarterienpulse fehlen oder stark abgeschwächt sind. Der arterielle Blutdruck ist typischerweise in den oberen Extremitäten erhöht und in den unteren nicht messbar. Diese Druckdifferenz ist ein entscheidender Hinweis für die klinische Verdachtsdiagnose.
Bei der Auskultation kann ein holosystolisches Geräusch bei begleitendem Ventrikelseptumdefekt zu hören sein, während in isolierten Fällen die körperliche Untersuchung überraschend unauffällig sein kann.
Ein kontinuierliches Geräusch unterhalb des linken Schlüsselbeins kann auf einen offenen Ductus arteriosus hinweisen, während ein systolisches Rücken-Geräusch auf einen Kollateral- oder abnormalen Fluss verdächtig ist.
In Fällen mit großem VSD oder doppeltem Ausflusstrakt des rechten Ventrikels kann das klinische Bild einige Tage lang teilweise maskiert sein, entwickelt sich jedoch unbehandelt stets zu einem Multiorganversagen. Das gleichzeitige Vorliegen genetischer Syndrome wie der 22q11.2-Mikrodeletion kann durch Gesichtsdysmorphien, Thymus-Hypoplasie oder Hypokalzämie aufgrund eines kongenitalen Hypoparathyreoidismus angezeigt sein.
Die Differenzialdiagnose umfasst andere kritische angeborene Herzfehler, die vom Ductus abhängen, wie schwere Aortenisthmusstenose, Hypoplastisches Linksherzsyndrom und Ventrikelseptumdefekt mit Pulmonalstenose. Eine dringliche Echokardiografie ermöglicht die präzise Darstellung der Aortenbogenmorphologie und bestätigt die Diagnose.
Die Diagnose eines unterbrochenen Aortenbogens muss so früh wie möglich gestellt werden, da das Überleben des Neugeborenen von der Offenheit des Ductus arteriosus abhängt. Der klinische Verdacht ergibt sich bei einem reif geborenen Neugeborenen, das innerhalb weniger Tage nach der Geburt Zeichen eines hypoperfusen Schocks entwickelt, ohne offensichtliche infektiöse Ursache, insbesondere bei fehlenden Femoralis-Pulsen und diskrepanten prä- und postduktalen Sauerstoffsättigungen.
Die Erstuntersuchung umfasst die Messung des Blutdrucks an oberen und unteren Extremitäten: ein signifikanter Unterschied oder die Unmöglichkeit, den distalen Druck zu messen, sind hochgradig verdächtig.
Die Pulsoxymetrie kann einen Sättigungsgradienten zwischen der rechten Hand (präduktal) und dem Fuß (postduktal) zeigen, obwohl dieses Zeichen bei rückläufigem Fluss oder intrakardialer Mischung fehlen kann.
Im Elektrokardiogramm können Zeichen einer biventrikulären Hypertrophie oder unspezifische Muster beobachtet werden, oft beeinflusst durch begleitende Anomalien.
Das Thoraxröntgen zeigt typischerweise eine vergrößerte Herzsilhouette mit verstärktem pulmonal-vaskulärem Zeichnungsmuster bei links-rechts-Shunt oder Herzinsuffizienz.
Die diagnostische Referenzmethode ist die transthorakale Echokardiografie, die eine direkte Darstellung der Unterbrechung und der epiaortalen Gefäßanatomie ermöglicht.
Wichtige echokardiografische Befunde sind:
Wenn die Echokardiografie kein vollständiges anatomisches Bild liefert (z.B. bei eingeschränktem akustischem Fenster oder komplexer Anatomie), sind eine kardiale Magnetresonanztomografie oder eine Multislice-Computertomografie indiziert. Beide ermöglichen eine detaillierte Rekonstruktion des Aortenbogens und der epiaortalen Gefäße, was für die chirurgische Planung unerlässlich ist.
Die Herzkatheteruntersuchung ist heutzutage Fällen vorbehalten, in denen eine invasive hämodynamische Beurteilung notwendig ist oder diagnostische Unsicherheit besteht. Die Messung von Druckgradienten und Flüssen ermöglicht die Beurteilung systemischer Veränderungen durch die Unterbrechung, ist jedoch selten entscheidend für die Therapieentscheidung.
Nach gesicherter Diagnose ist es entscheidend, ohne Verzögerung zur medikamentösen Offenhaltung des Ductus arteriosus durch kontinuierliche Infusion von Prostaglandin E1 überzugehen. Dieser Eingriff stellt den Fluss in die absteigende Aorta wieder her und verschafft wertvolle Zeit für die klinische Stabilisierung und die Planung der definitiven chirurgischen Korrektur.
Die Behandlung des unterbrochenen Aortenbogens stellt einen neonatologischen Notfall dar. Höchste Priorität hat die Aufrechterhaltung der Offenheit des Ductus arteriosus durch kontinuierliche Infusion von Prostaglandin E1, die essenziell ist, um den distalen systemischen Blutfluss bis zur definitiven Korrektur zu gewährleisten. Die anfängliche hämodynamische Stabilisierung ermöglicht die Vorbereitung des Neugeborenen auf die Herzoperation, die in den ersten Lebenstagen durchgeführt werden muss.
Die Korrektur erfolgt in der Regel einzeitig und beinhaltet die Rekonstruktion des Aortenbogens sowie den Verschluss eventuell begleitender intrakardialer Defekte, insbesondere des Ventrikelseptumdefekts. Die Operationstechnik wird an die Anatomie des Patienten, den Abstand zwischen den Aortensegmenten sowie das Vorliegen einer Hypoplasie oder epiaortaler Gefäßanomalien angepasst.
Zu den chirurgischen Optionen gehören:
Dank Fortschritten in der perioperativen Versorgung liegt die Überlebensrate nach dem Eingriff heute bei etwa 80–90 %, mit besseren Ergebnissen bei frühzeitig diagnostizierten und in stabilen klinischen Verhältnissen operierten Patienten. Die Prognose hängt eng mit der Ventrikelfunktion, dem Geburtsgewicht und dem Vorliegen extracardialer Fehlbildungen oder genetischer Syndrome zusammen.
Eine langfristige Nachsorge ist unerlässlich und muss die Überwachung des Aortenbogens, des Blutdrucks, der Ventrikelfunktion sowie eventueller Begleitanomalien umfassen. Die Lebensqualität ist bei rechtzeitig behandelten Patienten gut, doch aufgrund der Komplexität der Erkrankung ist eine kontinuierliche spezialisierte Betreuung während des gesamten Wachstums erforderlich.
Ohne Behandlung führt der unterbrochene Aortenbogen in den ersten Lebenstagen zu einer hohen Mortalität aufgrund von Kreislaufkollaps und Multiorganversagen. Der Verschluss des Ductus arteriosus verursacht eine abrupte Unterbrechung des systemischen Blutflusses mit schnell fortschreitender Laktatazidose, Anurie und Gewebehypoxie.
Nach chirurgischer Korrektur können sowohl frühe als auch späte Komplikationen auftreten. Am häufigsten sind eine mögliche Restenose des rekonstruierten Abschnitts und anhaltende arterielle Hypertonie. Die Ventrikelfunktion muss besonders bei Patienten mit präoperativer Volumenbelastung oder komplexen Begleitanomalien sorgfältig überwacht werden.
Bei unter kritischen Bedingungen operierten Neugeborenen ist das Risiko eines neurologischen Schadens nicht zu vernachlässigen. Eine perioperative zerebrale Minderperfusion kann ischämische Läsionen verursachen, mit Auswirkungen auf die neurokognitive Entwicklung. Die Nachsorge muss regelmäßige neurologische Untersuchungen beinhalten, insbesondere bei genetisch gefährdeten Kindern.
Die 22q11.2 Mikrodeletion bringt zusätzliche Herausforderungen mit sich, darunter Immunstörungen, Hypokalzämie sowie kognitive und Verhaltensauffälligkeiten. In diesen Fällen ist ein multidisziplinärer Ansatz und ein umfassendes langfristiges Überwachungsprogramm erforderlich.
Zu den Spätkomplikationen zählen außerdem Arrhythmien, Aortendilatation, Reststenosen und in einigen Fällen die Notwendigkeit einer erneuten Operation. Aus diesem Grund müssen alle Patienten mit unterbrochenem Aortenbogen in spezialisierten Zentren für komplexe angeborene Herzfehler betreut werden.