Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum (PA-IVS) ist ein selten angeborener cyanotischer Herzfehler, gekennzeichnet durch das vollständige Fehlen einer anatomischen Verbindung zwischen dem rechten Ventrikel und dem Lungenarteriensystem bei gleichzeitig vollständig intaktem Ventrikelseptum. Im Gegensatz zur Variante mit Ventrikelseptumdefekt (PA-VSD) fehlen hier jegliche Shunts zwischen den Kammern, sodass der pulmonale Blutfluss ausschließlich über alternative Wege, primär den offenen Ductus arteriosus und in variablem Ausmaß koronare Fisteln, sichergestellt wird.
PA-IVS ist von Geburt an kritisch und führt zu schwerer systemischer Hypoxämie, da das systemische Ven Blut nicht über den normalen rechten Ventrikel–Lungenarterienstrom zu den Lungen gelangt. Der einzige pulmonale Blutfluss erfolgt über den offenen Ductus arteriosus (PDA), dessen spontaner Verschluss ohne Behandlung rasch tödlich verläuft.
Diese Erkrankung macht etwa 1–3% aller angeborenen Herzfehler aus, mit einer geschätzten Prävalenz von 0,7–1,0 Fällen pro 10.000 Lebendgeburten. Häufig assoziiert sind Hypoplasie des rechten Ventrikels, Atresie oder Dysplasie der Trikuspidalklappe, koronare Anomalien und teilweise restriktive Vorhofseptumkommunikationen.
Prognose und Therapie entscheiden sich anhand der Morphologie des rechten Ventrikels und dem Vorhandensein anormaler Koronarverbindungen, welche über die Möglichkeit einer biventrikulären Rekonstruktion oder eines palliativ-univentrikulären Ansatzes (z.B. Fontan-Operation) bestimmen.
Pulmonalatresie mit intaktem Septum entsteht durch eine Frühstörung bei der Entwicklung des rechtsventrikulären Ausflusstrakts zwischen der 5. und 7. Schwangerschaftswoche. Normalerweise teilt sich der konus arteriosus embryonal in einen anterioren Teil, der den rechtsventrikulären Ausflusstrakt und die Pulmonalklappe bildet, und einen posterioren für den linksventrikulären Ausflusstrakt und die Aortenklappe. Bei PA-IVS kommt es zur vollständigen Obliteration des rechten Infundibulums und zur fehlenden Kanalisierung der Pulmonalklappe.
Das intakte Ventrikelseptum verhindert eine direkte Druckentlastung des rechten Ventrikels nach links, wodurch die Koronarzirkulation als einziger Ausfl ussweg verbleibt. Unter dem Einfluss erhöhten Drucks und hypertrophen Rechtsventrikels entwickeln sich ventrikulo-koronare Fisteln, die das rechte Ventrikel direkt mit den epikardialen Koronararterien verbinden und die normale Koronarperfusion beeinträchtigen – eine als rechtsventrikelabhängige Koronarperfusion bezeichnete Situation.
In diesem Szenario besteht bei plötzlicher Entlastung des Rechtsventrikels (z.B. nach valvuloplastischer Intervention) ein hohes Risiko für Myokardischämie, da die Koronararterien nicht mehr aus der Aorta perfundiert werden, sondern ausschließlich vom Rechtsventrikel abhängen. Das Risiko für akuten Herzinfarkt und plötzlichen Herztod ist extrem hoch.
Physiologisch hängt das Überleben von der Offenhaltung des Ductus arteriosus ab, der Blut von der Aorta zur Pulmonalarterie leitet und so die pulmonale Oxygenierung ermöglicht. Ein persistierendes Foramen ovale oder eine weitläufige Vorhofkommunikation sind für den systemischen Venentransit in den linken Vorhof und weiter in die systemische Zirkulation ebenfalls essenziell.
Abhängig von der Morphologie des rechten Ventrikels und der Verteilung der koronaren Fisteln unterscheidet man zwei funktionelle Hauptphänotypen:
Typischerweise zeigen sich die Symptome von PA-IVS in den ersten Lebensstunden mit schwerer zentraler Zyanose und Anzeichen systemischer Hypoxämie. Der pulmonale Blutfluss ist vollständig vom offenen Ductus arteriosus abhängig, dessen postnataler Verschluss zu raschem klinischem Verfall führt. Bei restriktiven Vorhofkommunikationen oder ausgedehnten koronaren Fisteln können die Symptome besonders früh und dramatisch auftreten.
Häufige Präsentationszeichen sind:
Bei restriktivem Foramen ovale kann rasch eine Rechtsherzinsuffizienz mit systemischer Stauung, Hepatomegalie und Jugularvenendistension auftreten. Die Fortschreitung der Rechtsventrikelhypertrophie verschlechtert die koronare Perfusion, erhöht das Risiko für Myokardischämie und Arrhythmien.
Ein Systolikum kann bei Trikuspidalinsuffizienz oder Ductus-Turbulenzen hörbar sein, jedoch ist die Auskultation häufig wenig ergiebig. Klinisch wegweisend bleibt die nicht auf Sauerstoff ansprechende Zyanose, die stets an einen kritischen zyanotischen Herzfehler denken lassen muss.
Der klinische Verlauf variiert je nach Ventrikelmorphologie und koronaren Anomalien. Bei extremer Hypoplasie des rechten Ventrikels mit Koronarabängigkeit droht ohne rasches Eingreifen mit Prostaglandinen und Vorhofseptostomie ein kardiozirkulatorischer Kollaps.
PA-IVS sollte bei jedem reifen Neugeborenen mit persistierender zentraler Zyanose ohne Besserung durch Hochfluss-Sauerstoff vermutet werden, besonders bei fehlenden deutlichen Auskultationsbefunden. Das klinische Bild kann anfangs einer respiratorischen Erkrankung ähneln, doch eine anhaltend niedrige Sauerstoffsättigung trotz Therapie weist auf eine zyanotische Herzfehlbildung hin.
Die transthorakale Echokardiographie ist der diagnostische Goldstandard und bestätigt:
Besondere Aufmerksamkeit gilt der Beurteilung der epikardialen Koronararterien, deren Dilatation und retrograder Fluss eine rechtsventrikelabhängige Koronarperfusion anzeigen können. Bei Verdacht ist ein früher Herzkatheter mit detaillierter Koronarangiographie indiziert.
Der Herzkatheter dient außerdem der Druckmessung in den Herzkammern, der Shunt-Analyse durch das Foramen ovale und der Durchführung einer Vorhofseptostomie, falls die Vorhofentlastung unzureichend ist. Ventrikelmorphologie, Kontinuität zwischen Ventrikel und Koronarien sowie Trikuspidalring-Hypoplasie sind entscheidend für die Therapieplanung.
Die fetale Echokardiographie ermöglicht eine pränatale Diagnose im zweiten Trimester und eine zielgerichtete Geburtshilfe in spezialisierten Zentren mit neonatologischer Herzchirurgie. Frühzeitige Diagnosestellung und spezialisierte Betreuung verbessern signifikant das Outcome.
Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum ist ein neonatales kardiales Notfallereignis, das eine rasche, individuelle Intervention erfordert.
Entsprechend diesen Parametern kann die Behandlung auf biventrikuläre Rekonstruktion, intermediäre Palliativmaßnahmen oder definitive univentrikuläre Rekonstruktion abzielen.
Die initiale Maßnahme ist die hemodynamische Stabilisierung. Die Gabe von Prostaglandin E1 sichert die Offenhaltung des Ductus arteriosus und gewährleistet pulmonalen Blutfluss. Bei unzureichender Vorhofentlastung ist eine ballonbasierte Vorhofseptostomie (Rashkind-Prozedur) indiziert.
Bei einem ausreichend entwickelten rechten Ventrikel, normokalibriger Trikuspidalklappe und nicht abhängigen Koronarien kann ein Programm zur funktionellen biventrikulären Rehabilitation initiiert werden, das die physiologische Zwei-Kammer-Zirkulation wiederherstellen soll.
Der erste operative Schritt ist die Pulmonalklappenvalvulotomie, entweder perkutan mittels Ballon oder offen chirurgisch. Durch kontrollierte Erweiterung des atretischen Klappenorificiums wird der Blutfluss zum Truncus pulmonalis wieder ermöglicht und das Remodeling des rechten Ventrikels angestoßen.
Folgeeingriffe können je nach hämodynamischer Response und Wachstum der Strukturen notwendig sein, unter anderem Erweiterung des rechtsventrikulären Ausflusstrakts, Dilatation des Klappenrings und schrittweiser Verschluss des Ductus arteriosus. Ziel ist die Erreichung biventrikulärer Autonomie.
In einigen Fällen werden kontrollierte Druckbelastungstechniken eingesetzt, um das morphologische und funktionelle Wachstum des rechten Ventrikels zu fördern, ohne ein Überlastungsversagen zu provozieren.
Die ideale Behandlung ist die biventrikuläre Rekonstruktion, da sie einen pulsatileren pulmonalen Blutfluss und ein besseres Langzeitprofil gegenüber univentrikulären Palliativverfahren bietet.
Bei starker Hypoplasie des rechten Ventrikels, Trikuspidaldysplasie und ventrikulokoronaler Abhängigkeit ist eine Entlastung kontraindiziert. In diesen Fällen wird ein univentrikulärer Palliativansatz gewählt, analog zum Fontan-Pathway:
In ausgewählten Zwischenfällen kann eine 1,5-Kammer-Palliation erfolgen, bei der der rechte Ventrikel das System teilweise entlastet, während der Großteil des Venentransits über die Glenn-Anastomose erfolgt.
Prognose hängt von Anatomie und gewähltem Therapiepfad ab. Biventrikulär rekonstruierte Patienten zeigen bessere Überlebensraten und Lebensqualität. Univentrikulär behandelte Patienten profitieren von verbesserten Techniken, bleiben jedoch komplikationsanfällig.
Ein kontinuierliches, multidisziplinäres Follow-up mittels Echokardiografie, kardialer MRT und klinischer Kontrolle ist essenziell, um die Herzfunktion, zentrale Venendrücke, sowie das Auftreten systemisch-pulmonaler Kollaterale oder valvulärer Dysfunktionen frühzeitig zu erkennen. Bei koronarabhängigen Fällen ist eine engmaschige Überwachung aufgrund des Risikos spät auftretender Ischämien unerlässlich.
PA-IVS birgt ein hohes Risiko für frühe und späte Komplikationen, abhängig von der Ventrikelmorphologie, dem Therapieansatz und eventuell vorhandenen koronaren Anomalien. Der Krankheitsverlauf wird durch anatomische Details und die Reaktionszeit initialer Interventionen bestimmt.
Neugeborene riskieren eine akute Myokardischämie bei Entlastung des hypertensiven Ventrikels, was unbemerkt zu massivem Infarkt und Tod führen kann. Dazu gehören Symptome wie Kreislaufkollaps und arrhythmische Ereignisse.
In der frühen postoperativen Phase treten häufig Ventrikeldysfunktion, Trikuspidalregurgitation und Arrhythmien auf, insbesondere bei Hypoplasie oder Dysplasie der Trikuspidalklappe. Eine prolongierte inotrope Unterstützung und mechanische Beatmung sind oft notwendig.
Langfristig entwickeln Patient:innen mit univentrikulärer Palliativstrategie typische Fontan-Komplikationen wie:
Biventrikulär rekonstruierte Patient:innen können progressive Trikuspidalinsuffizienz, Re-Stenosen des rekonstruierten Infundibulums, Stenosen des Pulmonalklappenrings oder den Bedarf an Reintervention wegen Klappendysfunktion entwickeln. Eine diastolische Dysfunktion des rechten Ventrikels kann auch ohne signifikante Reststenose auftreten.
Besondere Aufmerksamkeit erfordert das Risiko einer infektiösen Endokarditis bei Patient:innen mit Prothesen oder palliativ versorgten Kreisläufen sowie die Überwachung des neurologischen Status und der neurokognitiven Entwicklung aufgrund der hohen Vulnerabilität durch frühe Hypoxämie und Operation.
Ein multidisziplinäres Follow-up mit seriellen kardialen Untersuchungen und funktioneller Bildgebung ist unerlässlich, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen und die Langzeitprognose zu optimieren.
Die beiden Definitionen beziehen sich auf unterschiedliche Krankheitsbilder im Hinblick auf Anatomie, Embryologie und teilweise auch Therapie. Nachfolgend die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale:
In der Praxis ist die PA-IVS eine spezifische Unterform der Pulmonalatresie ohne interventrikuläre Kommunikation, mit klaren morphologischen und pathophysiologischen Merkmalen, insbesondere:
Hingegen weisen nicht alle Formen der Pulmonalatresie ohne VSD diese Merkmale auf. Einige können eine gut entwickelte Trikuspidalklappe, einen größeren rechten Ventrikel und keine Koronaranomalien haben: In solchen Fällen kann eine biventrikuläre Korrektur in Betracht gezogen werden – eine Option, die bei klassischer PA-IVS äußerst selten ist.
Merkmal | PA mit intaktem Ventrikelseptum (PA-IVS) | PA ohne Ventrikelseptumdefekt (generisch) |
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Definition | Spezifische Form der Pulmonalatresie mit intaktem Septum und typischen Begleitanomalien | Breitere Kategorie aller Formen ohne Ventrikelseptumdefekt |
Häufigkeit | Selten (<1 % der angeborenen Herzfehler) | Umfasst auch variablere und weniger definierte Formen |
Rechter Ventrikel | Typischerweise hypoplastisch, oft rudimentär | Variabel; gelegentlich gut entwickelt |
Trikuspidalklappe | Fast immer dysplastisch oder stenosiert | Kann normal, dysplastisch oder hypoplastisch sein |
Koronare Zirkulation | Häufig mit Fisteln und RV-Abhängigkeit | Selten RV-abhängig; meist normal |
Pulmonalarterie | Häufig hypoplastisch oder fehlend | Variabel: hypoplastisch, normal oder fehlend |
Option für biventrikuläre Korrektur | Sehr selten, meist nicht möglich | Möglich bei gut entwickeltem rechten Ventrikel |
Typische Behandlung | Univentrikuläre Palliativstrategie (Fontan) oder 1.5-Ventrikel-Konzept | Univentrikuläre Palliativversorgung oder in Einzelfällen biventrikuläre Reparatur |
Prognose | Abhängig von Ventrikelhypoplasie und koronarer Abhängigkeit | Allgemein besser bei biventrikulären Kandidaten |