Die kongenital korrigierte Transposition der großen Arterien (levo-Transposition of the Great Arteries, L-TGA) ist ein seltener angeborener Herzfehler, der durch eine doppelte Diskordanz gekennzeichnet ist: Die Verbindung zwischen Vorhöfen und Ventrikeln ist vertauscht (atrioventrikuläre Diskordanz), ebenso wie die Verbindung zwischen Ventrikeln und großen Arterien (ventrikuloarterielle Diskordanz). Aufgrund dieser doppelten Anomalie bleibt der Blutfluss paradoxerweise funktionell korrekt: Das venöse Blut wird weiterhin oxygeniert und das sauerstoffreiche Blut erreicht die peripheren Gewebe, obwohl es durch morphologisch invertierte Ventrikel geleitet wird.
Der rechte Vorhof entleert sich in den morphologisch linken Ventrikel, der Blut in die Pulmonalarterie pumpt, während der linke Vorhof mit dem morphologisch rechten Ventrikel verbunden ist, der in die Aorta mündet.
Die Zirkulation erscheint somit funktionell „korrigiert“, jedoch hat diese anatomische Abweichung bedeutende Auswirkungen im mittleren und langen Verlauf. Insbesondere ist der morphologisch rechte Ventrikel, der strukturell für einen Niederdruckkreislauf konzipiert ist, gezwungen, den systemischen Blutdruck zu bewältigen. Dies führt zu einem progressiven Risiko einer ventrikulären Dysfunktion. Zudem ist die atrioventrikuläre Klappe auf der rechten Seite (die in dieser Anatomie der Trikuspidalklappe entspricht) häufig insuffizient und trägt zur Entwicklung einer Herzinsuffizienz bei.
In etwa 90 % der Fälle ist die L-TGA mit weiteren strukturellen Herzfehlern vergesellschaftet, darunter:
Die L-TGA macht weniger als 1 % aller angeborenen Herzfehler aus. Sie kann über lange Zeit asymptomatisch bleiben, insbesondere bei Patienten ohne assoziierte Fehlbildungen, und wird gelegentlich erst im Erwachsenenalter im Rahmen von Untersuchungen bei Herzinsuffizienz oder Arrhythmien diagnostiziert. In vielen Fällen ist der natürliche Verlauf jedoch durch eine allmähliche Verschlechterung der rechtsventrikulären Funktion sowie durch hämodynamische und rhythmologische Komplikationen gekennzeichnet. Eine frühzeitige Erkennung und eine präzise anatomisch-funktionelle Charakterisierung sind entscheidend, um eine geeignete Therapie zu planen und den Funktionsverlust zu verhindern.
Die genetischen Ursachen der L-TGA sind noch nicht vollständig geklärt, jedoch wird angenommen, dass frühe Störungen in der Entwicklung des embryonalen Herzens – insbesondere des Konus und Bulbus cordis – beteiligt sind. Mutationen in den Genen NKX2.5, GATA4, TBX5 und ZIC3 wurden mit konotrunkalen Defekten assoziiert, aber die meisten L-TGA-Fälle treten sporadisch und isoliert auf. Einige Fälle treten im Rahmen von Syndromen auf, wie z.B. Heterotaxie oder ziliären Dysplasien.
Die kongenital korrigierte Transposition der großen Arterien entsteht früh während der kardiogenen Embryogenese – zwischen der 5. und 8. Schwangerschaftswoche – in der Phase der Bildung und Schleifenbildung des primitiven Herzrohrs. Unter normalen Bedingungen erfolgt eine Rechtsrotation („D-Looping“), wodurch der rechte Ventrikel rechts und der linke Ventrikel links zu liegen kommen. Bei L-TGA hingegen erfolgt eine Linksrotation (L-Looping), was zur Inversion der Ventrikel und ihrer Ausflusstrakte führt.
Das Endresultat ist eine doppelte Diskordanz:
Diese doppelte Anomalie bewirkt im Gegensatz zur kompletten Transposition der großen Arterien (d-TGA) eine „physiologisch“ korrigierte Zirkulation:
rechter Vorhof → linker Ventrikel → Lunge → linker Vorhof → rechter Ventrikel → Aorta
Das venöse Blut wird also korrekt oxygeniert und im Körper verteilt. Allerdings ist die Morphologie der Ventrikel und der atrioventrikulären Klappen vertauscht, was bedeutende pathophysiologische Konsequenzen hat, vor allem im Hinblick auf die Druckbelastung, der die Ventrikel ausgesetzt sind.
Aus funktioneller Sicht besteht das Hauptproblem der L-TGA darin, dass der rechte Ventrikel in systemischer Position liegt und den systemischen Druck aufrechterhalten muss, wofür er strukturell nicht vorgesehen ist. Mit der Zeit kann es zur progressiven Dysfunktion des systemischen rechten Ventrikels kommen, zunächst kompensiert, später zunehmend dekompensiert. Darüber hinaus kann die atrioventrikuläre Klappe zwischen linkem Vorhof und rechtem Ventrikel (also die Trikuspidalklappe in systemischer Position) eine signifikante Insuffizienz entwickeln, was die Herzinsuffizienz zusätzlich verschärft.
Ein weiterer pathophysiologisch relevanter Aspekt ist die häufige Beteiligung des Reizleitungssystems. Beim L-TGA verläuft das His-Bündel auf einem anomalen und vulnerablen Pfad, was die Entwicklung fortschreitender atrioventrikulärer Blöcke begünstigt. Diese können in jedem Lebensalter auftreten und eine permanente Schrittmacherimplantation erforderlich machen.
Das klinische Bild der kongenital korrigierten Transposition der großen Arterien ist äußerst variabel und hängt von drei Hauptfaktoren ab: assoziierte Herzfehlbildungen, Funktion des systemischen rechten Ventrikels und Integrität des atrioventrikulären Reizleitungssystems. Bei Patienten ohne Begleitfehlbildungen kann die Erkrankung über Jahre hinweg asymptomatisch bleiben und zufällig diagnostiziert werden. Die meisten Patienten weisen jedoch begleitende Anomalien auf, die zu einer frühen klinischen Manifestation führen.
Bei Neugeborenen ist die isolierte L-TGA oft asymptomatisch und kann unentdeckt bleiben, wenn keine auffälligen Herzgeräusche oder Zeichen einer hämodynamischen Überlastung vorhanden sind.
Das Vorliegen eines Ventrikelseptumdefekts oder einer Pulmonalstenose kann hingegen zu zentraler Zyanose, Zeichen eines pulmonalen Hyperflusses oder Atemnot in den ersten Lebenswochen führen. In solchen Fällen kann das Krankheitsbild anderen komplexen angeborenen Herzfehlern ähneln, was die Diagnose erschwert.
Im Kindes- und Jugendalter können einige Patienten Anzeichen einer fortschreitenden Herzinsuffizienz entwickeln, bedingt durch den allmählichen Funktionsverlust des systemischen rechten Ventrikels. Symptome können Leistungsminderung, Gedeihstörung, reduzierte Belastbarkeit und in fortgeschritteneren Stadien Zeichen venöser Stauung sein. Eine begleitende Trikuspidalinsuffizienz verschlechtert die hämodynamische Situation zusätzlich.
Im Erwachsenenalter kann sich die L-TGA spät manifestieren, mit Symptomen, die anfangs häufig einer dilatativen Kardiomyopathie oder Arrhythmien zugeschrieben werden. Typische Symptome sind:
Die Anamnese sollte auf Synkopen, Leistungsknick und familiäre Häufung angeborener Herzfehler eingehen. Ebenso wichtig sind Hinweise auf eine beginnende Ventrikeldysfunktion, frühere Operationen und Symptome, die auf Rhythmusstörungen hindeuten.
Bei der körperlichen Untersuchung können Herzgeräusche aufgrund von Septumdefekten oder Klappeninsuffizienz, Zeichen einer ausgeprägten Rechtsherzinsuffizienz sowie in fortgeschrittenen Stadien ein diastolischer Gallop-Rhythmus oder gedämpfte Herztöne festgestellt werden. Die Befundung sollte gründlich erfolgen, da etwa ein Drittel der Patienten – insbesondere bei isolierter Form – bei der Auskultation keine auffälligen Befunde zeigt.
Die fortschreitende Dysfunktion des systemischen rechten Ventrikels ist der wichtigste negative Prognosefaktor. Ohne engmaschige Überwachung und rechtzeitige Intervention kann sich die L-TGA zu einem irreversiblen Zustand einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz entwickeln.
Die Diagnose der kongenital korrigierten Transposition der großen Arterien erfordert eine hohe klinische und apparative Genauigkeit, insbesondere bei asymptomatischen Patienten oder unauffälliger Präsentation. Der Verdacht kann im Neugeborenenalter auf Grundlage klinischer Befunde wie Herzgeräusche oder pulmonalem Überfluss entstehen, oder später im Rahmen nicht erklärbarer Arrhythmien oder Herzinsuffizienz. Häufig wird die Erkrankung anfänglich als dilatative Kardiomyopathie fehlgedeutet, was die Bedeutung einer detaillierten Echokardiographie unterstreicht.
Die transthorakale Echokardiographie spielt eine zentrale Rolle, da sie die doppelte Diskordanz erkennen lässt. Die Ventrikelmorphologie muss sorgfältig anhand morphologischer Kriterien (Trabekelstruktur, Position der Sehnenfäden, Klappenanatomie) analysiert werden.
Die Diagnosebestätigung basiert auf dem Nachweis von:
Wenn die transthorakale Bildqualität unzureichend ist, insbesondere bei Erwachsenen, kann eine transösophageale Echokardiographie erforderlich sein, um die atrioventrikulären Verbindungen und die Ursprünge der großen Arterien besser zu beurteilen.
Bei komplexen oder bereits operierten Patienten ist die Kardio-MRT besonders geeignet, um die Ventrikelfunktion, intrakardiale Flüsse und die Dilatation der rechten Herzkammern präzise zu beurteilen.
Das Elektrokardiogramm kann indirekte Hinweise liefern: die elektrische Herzachse ist häufig nach links abweichend, mit intraventrikulären Leitungsstörungen und Schenkelblock-Mustern. In fortgeschrittenen Fällen können höhergradige AV-Blöcke auftreten, die eine Überwachung oder Schrittmacherimplantation erfordern.
Das Thoraxröntgen ist nicht diagnostisch, kann jedoch eine Kardiomegalie, gesteigerte Lungengefäßzeichnung bei Überfluss oder Hinweise auf Herzinsuffizienz zeigen.
Die arterielle Blutgasanalyse kann bei assoziierten Defekten mit Rechts-Links-Shunt eine Hypoxämie aufdecken, ist jedoch unspezifisch.
Die Herzkatheteruntersuchung spielt heute in der initialen Diagnostik eine untergeordnete Rolle, kann aber bei Verdacht auf pulmonale Hypertonie, zur präoperativen Abklärung oder zur Bestimmung der Gefäßwiderstände vor chirurgischen Eingriffen indiziert sein. Außerdem ermöglicht sie die direkte Messung des Drucks im systemischen rechten Ventrikel, was bei vermuteter Dysfunktion hilfreich ist.
Die endgültige Diagnose beruht auf der Integration echokardiographischer, MRT-gestützter und klinischer Daten. Die frühzeitige Erkennung der doppelten Diskordanz – insbesondere in Abwesenheit von Zyanose oder offensichtlichen Zeichen – ist entscheidend für die Einleitung einer adäquaten Therapie und die Planung einer langfristigen Nachsorge.
Die Behandlung der kongenital korrigierten Transposition der großen Arterien richtet sich im Wesentlichen nach dem Funktionszustand des systemischen rechten Ventrikels und dem Vorhandensein sowie dem Schweregrad assoziierter Anomalien. In den seltenen Fällen, in denen die L-TGA isoliert und hämodynamisch kompensiert ist, kann eine engmaschige klinische und apparative Überwachung ausreichend sein. In den meisten Fällen ist jedoch ein proaktives therapeutisches Vorgehen notwendig, um eine Verschlechterung in Richtung Herzinsuffizienz oder komplexer Arrhythmien zu verhindern.
Das Management gliedert sich in drei Hauptbereiche: medikamentöse Therapie, chirurgische (korrigierende oder palliative) Intervention und Behandlung von Rhythmusstörungen.
Die medikamentöse Behandlung ist bei symptomatischen Patienten oder bei Nachweis einer Verschlechterung der Funktion des systemischen rechten Ventrikels angezeigt. Ziel ist es, die ventrikuläre Belastung zu reduzieren und die systolische Leistung zu stabilisieren. Zum Einsatz kommen Diuretika, ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker sowie gegebenenfalls Betablocker. Diese Wirkstoffe stammen aus der Therapie des Linksherzversagens, ihre Wirksamkeit bei L-TGA ist jedoch weniger gut belegt.
Bei relevanten assoziierten Defekten sollte eine gezielte chirurgische Korrektur erfolgen. Dazu gehören die Verschlussoperation eines Ventrikelseptumdefekts, eine Klappenrekonstruktion oder ein Ersatz der Trikuspidalklappe bei signifikanter Insuffizienz, sowie die Beseitigung von Obstruktionen des rechtsventrikulären Ausflusstrakts.
Bei Patienten mit fortschreitender Funktionseinbuße des systemischen rechten Ventrikels oder schwerer Trikuspidalinsuffizienz kann eine Double-Switch-Operation (Vorhof- und Arterien-Switch) indiziert sein. Diese stellt die normale atrioventrikuläre und ventriculoarterielle Verbindung wieder her und platziert den linken Ventrikel in systemischer Position. Der Eingriff ist komplex und sollte idealerweise im Kindesalter erfolgen, bevor der linke Ventrikel seine Fähigkeit zur systemischen Druckbelastung verliert. Im Erwachsenenalter ist der Eingriff nur nach schrittweiser Vorbereitung des linken Ventrikels (z.B. durch Pulmonalarterienbanding) möglich.
Arrhythmien sind ein zentrales Thema bei der L-TGA. Höhergradige atrioventrikuläre Blockierungen sind häufig und können in jedem Lebensalter auftreten. Die permanente Implantation eines Herzschrittmachers ist in vielen Fällen erforderlich, auch bei jungen Patienten. Bei supraventrikulären Tachyarrhythmien kann eine gezielte antiarrhythmische Therapie oder eine Katheterablation indiziert sein.
Die langfristige Prognose bei L-TGA hängt maßgeblich von der Funktion des systemischen rechten Ventrikels und dem Vorhandensein begleitender Fehlbildungen ab. Unbehandelte Patienten können das Erwachsenenalter erreichen, jedoch ist mit einem fortschreitenden hämodynamischen Abbau zu rechnen. Nach frühzeitiger chirurgischer Korrektur – insbesondere bei vorheriger Vorbereitung des linken Ventrikels – verbessert sich die Prognose deutlich. Dennoch ist ein lebenslanger spezialisierter Follow-up notwendig, um ventrikuläre Funktion, Klappenstatus und das Reizleitungssystem regelmäßig zu überwachen.
Die kongenital korrigierte Transposition der großen Arterien ermöglicht zwar in den frühen Lebensphasen eine funktionell adäquate Zirkulation, kann jedoch langfristig zu schwerwiegenden Komplikationen führen. Diese resultieren vor allem aus der systemischen Belastung des morphologisch rechten Ventrikels und der häufigen Beteiligung des Reizleitungssystems. Komplikationen können auch ohne begleitende Fehlbildungen auftreten und beeinflussen die Überlebenswahrscheinlichkeit sowie die Lebensqualität im Erwachsenenalter erheblich.
Die häufigste und prognostisch bedeutsamste Komplikation ist die progressive Dysfunktion des systemischen rechten Ventrikels. Aufgrund seiner strukturellen Limitationen in Bezug auf Druckbelastung kommt es zu Dilatation, Hypertrophie und kontraktiler Insuffizienz, mit Symptomen wie Belastungsdyspnoe, eingeschränkter Leistungsfähigkeit und systemischer Stauung. Dieser Verlauf kann jahrelang asymptomatisch sein, ist jedoch im fortgeschrittenen Stadium meist irreversibel.
Eine weitere wichtige Komplikation ist die Trikuspidalinsuffizienz, die in der L-TGA den linken Vorhof vom systemischen rechten Ventrikel trennt. Strukturelle oder funktionelle Klappenveränderungen, insbesondere bei rechtsventrikulärer Dilatation, begünstigen eine Regurgitation, die das Volumenbelastungsproblem verstärkt und den hämodynamischen Abbau beschleunigt.
Atrioventrikuläre Leitungsstörungen sind bei L-TGA sehr häufig; das Risiko eines vollständigen AV-Blocks liegt bei über 1–2% pro Jahr bei nicht operierten Patienten. Der ungeschützte und oberflächliche Verlauf des His-Bündels macht es anfällig für mechanische oder degenerative Schäden. Die permanente Schrittmacherimplantation ist daher oft frühzeitig notwendig, mitunter schon im Kindesalter.
Zu den postoperativen Komplikationen nach Double-Switch- oder anderen korrektiven Eingriffen (z.B. Klappen- oder Septumchirurgie) zählen:
Bei Patienten mit therapierefraktärer fortgeschrittener Herzinsuffizienz kann eine Herztransplantation notwendig werden, die als letzte therapeutische Option in nicht mehr medikamentös oder chirurgisch kontrollierbaren Fällen zum Einsatz kommt. Der Zeitpunkt für eine Listung sollte frühzeitig erwogen werden – vor Beginn eines Multiorganversagens.
Eine interdisziplinäre Betreuung mit regelmäßiger Nachsorge in spezialisierten Zentren für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern ist entscheidend, um die Ventrikelfunktion zu überwachen, Arrhythmien vorzubeugen und rechtzeitig therapeutische Eingriffe zu planen. Die komplexe Entwicklung der L-TGA erfordert eine langfristige Überwachung, selbst bei initial asymptomatischen Patienten.